Die Zeit der Lehre war eine unruhvolle Zeit. Es konnten garnicht genug Hobbys sein, denen ich nach ging. Da war zum einen meine Tanzgruppe. Da ich aber die Zeit meiner Lehre in Rackwitz im Internat verbrachte, ich aber nach wie vor Montags und Donnerstag nach Buna zum Training wollte, hatte ich ein Problem, denn es wäre sehr umständlich und zeitaufwendig gewesen diese Strecke zu überwinden, da ich alles mit dem Bus, Zug und Straßenbahn zu bewerkstelligen hätte. Gott sei Dank war Wilfried, unser Trainer (Coach würde man heute sagen) bereit mich 2x die Woche von Rackwitz abzuholen und wieder zurückzubringen. Nebenbei leitete ich aber auch noch den Fotozirkel des Internates, war als Fotograf für die Fußballmanschaft aktiv und weil das noch nicht genug war, fuhr ich 1x die Woche nach Delitzsch zum Boxtraining, was sich aber körperhaltungstechnisch mit dem Tanztraining nicht vertrug und ich das Boxen nach ein paar Monaten wieder aufgab.
Wie gesagt, die Zeit der Tanzgruppe war eine sehr intensive und erlebnisreiche Zeit. Wir fuhren zu Auftritten in die unterschiedlichsten Städte und sogar mehrfach ins Ausland. Bis nach Baschkirien am Ural verschlug es uns. Welcher Normalsterbliche kam zu DDR-Zeiten schon nach Baschkirien?! Es war aber auch die Zeit der Feeten, Exzesse und des Sichausprobierens. Es war die Zeit der ersten längerdauernden Liebesbeziehungen, auch wenn das Wort Treue damals noch eine unbekannte Größe für mich war. Doch bei all diesen mehr oder weniger schönen Erlebnissen, den Höhepunkten und den Niederlagen, wer weiß für was sie im Nachhinein wichtig waren diese zu durchleben.
Ach natürlich, eine Besonderheit muß ich ja noch erwähnen. Nachdem ich keine Lehre als Fotograf bekommen hatte, schlug mir mein damaliger Fotoclubleiter aus Merseburg vor doch in der Aluminium-Folie als Flexodrucker anzufangen. Dort hätte ich ja schließlich auch mit Farben zu tun. Der Haken an der Sache war allerdings, daß ich für 1 1/2 Jahre nach Rackwitz bei Leipzig ins Internat müßte, um dort eine Lehre als Anlagentechniker zu absolvieren. Danach noch ein halbes Jahr Praktikum in Merseburg und dann hätte ich es geschafft. Gesagt, getan, doch als ich dort in Rackwitz meine Lehre begann und dann zum Anfang mit einigem Entsetzen feststellen mußte, dass ich der einzige Junge unter 28 Mädchens in dieser Klasse war, wurde mir dann doch ganz anders zu Mute. Aber mit der Zeit wuchs ich recht gut in diese neue Situation hinein und am Ende war es doch eine Bereicherung in meinem Leben gewesen. Das Gruppenfoto (oben) stammt aus dem Jahr 1981 und zeigt unsere Lehrklasse in Rackwitz und das Foto darunter zeigt mich (links) im November 1980 beim Boxtraining in Delitzsch.
Oben nun noch ein paar Tanzgruppenfotos, damit man sich mal in etwa vorstellen kann, was wir da so eigentlich veranstaltet haben und wie wir aussahen. Auf den einen Foto sitze ich mit Höhni gemeinsam in der Wanne und trinke Kirschwisky. Das Foto entstand in einen unserer zahlreichen Trainingslager, wo es erfahrungsgemäß oft recht exzessiv zur Sache ging. Daneben sieht man uns im Zimmermannskostüm, im Foto darunter sieht man uns im Kostüm eines unserer schönsten Tänze, dem Czardas. Leider habe ich damals noch nicht in Farbe fotografiert, erstens waren unsere DDR-Farben eher verwaschene Farben und mit 1,75 Mark für ein 7x10 Foto auch nicht gerade preisgünstig. Das 4. Foto zeigt uns bei einer unserer zahlreichen Feten und Partys, die wir bei der Tanzgruppe veranstaltet haben. Hier bei einer Geburtstagsparty bei einem Tanzgruppenmitgied. (Fotos von 1982-1984)
1983 lernte ich dann Verena kennen. Sie war ein Mädchen aus der Konkurrenztanzgruppe aus dem Tanzensemble Leuna. Wir waren 4 Jahre ein Paar, naja, aber wie das halt so im Leben ist, man lernt andere Leute kennen; sie einen anderen Kerl und ich war ja auch kein Kind von Traurigkeit und so zerschlug sich irgendwann unsere Beziehung.
Auf dem nächsten Foto sind 2 Menschen zu sehen, die mir in meinem Leben sehr viel bedeutet haben, mit denen ich aber heute keinen Kontakt mehr habe. Rainer, (Mitte), war einer meiner besten Freunde zur damaligen Zeit, doch mit den Jahren und durch gewisse Umstände, lebten wir uns auseinander. Das Mädchen im Bild rechts ist Diane, mit der ich zum damaligen Zeitpunkt eine eher lockere kumpelhafte Freundschaft ohne Tiefe hatte. Erst c.a. 15 Jahre später sollte sich durch ein zufälliges Wiedersehen eine sehr tiefe platonische Freundschaft zwischen uns beiden entwickeln, was zum Zeitpunkt dieser Aufnahme (Silvester 1982/83) noch niemand geahnt hätte. Mit beiden war ich über viele Jahre hinweg in der Tanzgruppe gewesen. Auf dem Foto darunter bin ich bei einer Party 1983 in Rainers Wohnung in Leipzig/Plagwitz zu sehen. Gelegentlich griff ich bei solchen Anlässen auch mal zum Akkordeon, um ein paar Stimmungslieder zum Besten zu geben.
Die darauffolgenden Bilder zeigen mich (1984) etwas verlottert, aber mit selbst zu dieser Zeit nicht mehr ganz aktueller Haartracht auf der Leuchtenburg zu Rudolstadt beim Tanztraining. Auf dem Foto daneben sieht man Wilfried unseren Tanzgruppenleiter bei einer Faschingsparty (1985). Doch er war nicht nur unser Leiter; mit den Jahren wurde er mir auch zu einem Freund. Auch er prägte mein Leben entscheidend mit, allein schon durch seine Persönlichkeit. Ungezählte Stunden philosophierten wir über das Leben. Das dritte Bild zeigt meinen damaligen Schichtleiter, noch aus "Alufolienzeiten", Waldi und mich 1986 wärend einer Brigadefahrt beim allabentlichen Spiele - und Trinkabend.
Weiter geht es mit dem Foto von Winzi (Ronald) und mir, aufgenommen 1986 in Prag beim Zelten. Die Freundschaft zu Winzi ist ebenfalls eine meiner langlebigsten und intensivsten Freundschaften, die bis zum heutigen Tag bestand hat. Auch mit ihm verbinden mich unzählige Erlebnisse. Und der intnsive Gedankenaustausch, bei oft exzessiven, allerdings inzwischen viel zu selten gewordenen Kneipenbesuchen, hat uns im Laufe der Jahre fest "zusammengeschweißt".
Die nächsten beiden Fotos zeigen mich bei meinem Aufenthalt bei der NVA oder auch "Asche", bzw."Fahne", wie Sie im DDR-Volksmund genannt wurde. Ich diente von Nov. 1987 - April 1989 in Karow in der Nähe von Plau am See in Mecklenburg als Militärkraftfahrer in einer Feldbackeinheit. Auf den 2. Foto sieht man mich mit meinen Zimmergenossen vor meinem Ural.
Wer die DDR-Armeezeit hinter sich gelassen hatte weiß von was ich rede, als ich danach sagte: endlich wieder in Freiheit! Denn es war extrem belastend gewesen, weit weg von der Heimat und bis zu 13 Wochen am Stück nicht nach Hause zu dürfen und 24 Std. am Tag immer von den gleichen Leuten umgeben zu sein und das auf engsten Raum. Dazu kam der harsche Befehlston der Vorgesetzten oder den Schikanen, welche von den diensthalbjahr älteren Mitdienenden ausgingen. Sicher, es gab auch schöne Momente, doch alles in allem war ich doch froh, als ich wieder zu Hause war.
Dazu gehörte zunächst, dass ich mit Rainer im Sep. 1989 eine gemeinsame Urlausreise nach Primorsko/Bulgarien ans schwarze Meer machte (1.Foto). Auf den 2. Foto bin ich zusammen mit meinen beiden Merseburger Cousins, links Peter, rechts Klaus, zu Peters 30sten Geburtstag im Februar 1990, zu sehen. Wärenddessen veränderte sich draußen im Land das gesamte Umfeld, denn es war die Zeit der Wende 1989/90.
Und um an die unten zu bestaunenden historischen Momente eines Tages zurückdenken zu können, hatte ich auch immer eine kleine Kamera dabei. Ich war mir schon irgendwo bewußt, dass ich in diesen beiden Momenten an einem besonderen Stück Geschichte teilnehmen würde, doch fototechnisch waren mir durch die vorherrschende Dunkelheit Grenzen gesetzt, sodass ich leider nur mit mäßiger Bildqualität aufwarten konnte. Das erste Bild entstand am 09.Oktober 1989, als Leipzig eine noch nie dagewesene Demo gegen die in der DDR vorherrschenden Verhältnisse erlebt hat. Wir waren eigens aus Merseburg zur sogenannten Montagsdemo angereist und ich sage Euch, es lag ein Gefühl zwischen Angst und Euphorie in der Luft, denn es worden große Polizeimannschaften mit Hunden und Armeeeinheiten in Bereitschaft aufgeboten. Die Stasi war allgegenwärtig und ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. 70000 Menschen waren an diesem Tag auf der Straße und ich höre noch heute die Rufe der Massen: "Wir sind das Volk" oder "Stasi in die Volkswirtschaft", um nur einige Schlachtrufe zu nennen. Gott sei Dank blieb uns eine Auseinandersetzung und Eskalation mit der "Staatsmacht" erspart. Auf dem anderen Foto sieht man den zweiten historischen Augenblick, den es, so glaube ich, ohne den Ersten oben nicht gegeben hätte. Deshalb möchte ich hier auch keine Wertung darüber abgeben, welcher von den beiden Momenten für mich der zeitgeschichtlich wichtigere war. Beide waren ergreifend und unvergesslich. Doch ich glaube, als ich am 10. November 1989 mit meiner damaligen Freundin Katrin aus Bad Dürrenberg, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen möchte, weil diese Beziehung zu kurz und auch nicht besonderes nachhaltig für mein Leben war (von diesen historischen Augenblick mal abgesehen), über die Staatsgrenze mit meinem Trabi nach Westberlin fuhr, standen mir die Tränen in den Augen und das will schon was heißen bei mir. Ein Freudenschrei hallte durch den Trabi und meine Gefühle für das soeben erlebte kann man nur schwer beschreiben; es war ganz einfach der blanke Wahnsinn. Die Leute lagen sich in den Armen, Menschenmassen bestiegen die "Mauer" oder versuchten Stücke aus ihr herauszuhacken. Wir lernten dann auch spontan einen in Westberlin lebenden Schweizer kennen, der uns bei sich übernachten ließ.